Joseph von Eichendorff
Kapitel von meiner Geburt, Erstes Kapitel (gek.)
Johann Wolfgang Goethe
Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, Erstes Buch

Der Winter des Jahres 1788 war so streng, daß die Schindelnägel auf den Dächern krachten, ... Die Konstellation
war überaus günstig. Jupiter und Venus blinkten freundlich auf die weißen Dächer, der Mond stand im Zeichen der Jungfrau und mußte jeden Augenblick kulminieren. ... - da wurde ich in der Stube neben dem Tafelzimmer geboren. Mein Vater, da er einen Kindsschrei hörte, blickte erschrocken nach dem Himmel: der Mond hatte soeben kulminiert! um ein Haar wäre ich zur glücklichen Stunde geboren worden, ich kam gerade nur um anderthalb Minuten zu spät, und zwar in der Konfusion mit den Füßen zuerst, man sagt. ich habe damit ein Entrechat gemacht.
Daß ich aber, trotz der vortrefflichen Aspekten, die rechte Konstellation verpaßt, verdrießt mich noch bis auf den heutigen Tag ...


Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich; die Sonne stand im Zeichen der Jungfrau, und kulminierte für den Tag; Jupiter und Venus blickten sie freundlich an, Merkur nicht widerwärtig; Saturn und Mars verhielten sich gleichgültig: nur der Mond, der soeben voll ward, übte die Kraft seines Gegenscheins um so mehr, als zugleich seine Planetenstunde eingetreten war. Er widersetzte sich daher meiner Geburt, die nicht eher erfolgen konnte, als bis diese Stunde vorübergegangen.
Diese guten Aspekten, welche mir die Astrologen in der Folgezeit sehr hoch anzurechnen wußten, mögen wohl Ursache an meiner Erhaltung gewesen sein: denn durch Ungeschicklichkeit der Hebamme kam ich für tot auf die Welt, und nur durch vielfache Bemühungen brachte man es dahin, daß ich das Licht erblickte.