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Albertus -Magnus - Gymnasium Ettlingen
Literaturkurs

lectori benevolo - dem geneigten Leser - statt eines Vorwortes
Unter den musischen Fächern kommt dem Literaturkurs in Jahrgangsstufe 12/13 eine besondere Rolle zu. Hier können Schülerinnen und Schüler ihre Schreibtalente ausprobieren. Die folgende Titelgeschichte vonKristina Friske (Ettlingen) soll dazu ermutigen, selbst einmal zur Feder zu greifen und sich einem interessierten Publikum zu stellen:

Kristina Friske, Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte

Literaturkurs 95/96

Literaturkurs 96/97


07.05.1997
Klemens Thamm

Eine Liebesgeschichte, die irgendwann, irgendwo, irgendwie einen Anfang genommen hat. Eine solche Liebesgeschichte möchte ich erzählen, denn die Menschen brauchen in diesen rauhen Zeiten was fürs Herz. Denken wir deshalb auch noch nicht an ein Ende, lassen wir sie zuerst einmal beginnen.
Wir sollten den Anfang der Geschichte allgemein halten. Legen wir uns also nicht auf eine Jahreszeit, einen Ort oder eine Atmosphäre fest, es gäbe hier unzählige Möglichkeiten, ein passendes Ambiente für die Geburt eines Gefühis, das man landläufig Liebe nennt, zu schaffen.
Man könnte z.B. den Monat Februar wählen, der Frühling ist bereits zu erahnen, es schneit jedoch noch einmal, als die beiden Hauptpersonen, die anonym bleiben sollten, sprechen wir also nur von ER und SIE, zu einem kleinen Spaziergang in den Park aufbrechen. Noch trennt diese Menschen eine gewisse Distanz, noch erträumt sich jeder von ihnen die Nähe, die Hand, den Mund des anderen. Noch frieren ihre Hande in den Manteltaschen, nachdem sie aus Verlegenheit Schneebälle geformt haben. Noch dürfen sie sich nicht gegenseitig wärmen, weil keiner von ihnen ausgesprochen hat, was beiden bereits bewußt ist: der Beginn ihrer Liebe.
Wie gesagt, ein völlig willkürlich gewähltes Beispiel für den Beginn einer ganz gewöhnlichen Liebesgeschichte ...
Ebensogut hätte ich diese kleine Szene in den Sommer verlegen können, unter Umständen ans Meer oder in die Berge. Auch in der Großstadt hätten sich wohl Möglichkeiten genug geboten. Wo Liebe entstehen will, läßt sie sich von solcherlei Faktoren sicher nicht abhalten. Jeder Ort wird zum romantischen Ort, jeder Ort färbt sich wenigstens an einer kleinen Stelle rosarot, wenn er aus den Augen verliebter Menschen gesehen wird. Vor allem in der Erinnerung: Dann hat der Mond auf einmal viel heller geschienen, der Schneefall ist dichter und weißer, die Nachtluft klarer und kühler gewesen. Damals im Februar im Park .
Es schneit also sacht, und es ist ziemlich kalt, zumal für die beiden Hauptpersonen, die sich wenige Minuten zuvor noch in warmer Partyluft befunden haben oder nehmen Sie wahlweise die einer Diskothek, eines Restaurants, Theaters ... aus der sie geflohen sein könnten, weit SIE aufgrund von SEINEN Worten das Bedürfnis verspürt hat, dem aufsteigenden flauen Gefühl in ihrem Bauch mit der kalten Nachtluft entgegenzuwirken. Möglicherweise versuchen sie auch, für den Beginn ihrer Liebesgeschichte, die sich unaufhaltsam nähert, wie beide spüren müssen, eine andere Umgebung zu schaffen als ausgerechnet diese Party, auf der sie außerdem gar nicht eingeladen waren.
Im übrigen ist ein Spaziergang im Park sowieso obligatorisch, da die Natur in Liebesgeschichten immer eine der Hauptrollen spielt. Vom Regenschauer über strahlenden Sonnenschein bis hin zum leichten Schneefall liefert sie zahlreiche Effekte, auf die in ganz gewöhnlichen Liebesgeschichten immer gerne zurückgegriffen wird. Vergessen wir nämlich nicht, daß es sich auch bei unserer Geschichte um eben eine solche handelt, die frei erfunden ist und völlig willkürlich erzählt wird; lassen Sie sich da von Details nicht täuschen ...
Eigentlich möchte ich jetzt nicht weiter auf den Verlauf des angesprochenen Abends bzw. der Nacht, die inzwischen über IHN und SIE hereingebrochen ist, eingehen. Was sich diese beiden Menschen später sagen, was sie fühlen, als sie sich endlich fühlen dürfen, das sollte in diesem Rahmen dann doch nicht erzählt werden. Und es geht Sie auch gar nichts an. Es reicht, wenn ich Ihnen den Anfang dieser Geschichte erzählt habe. Damit müssen Sie sich zufrieden geben. Und überhaupt: Schreiben Sie doch Ihre eigene Liebesgeschichte! Oder noch besser: Leben Sie sie! Denn es scheint wohl so zu sein, daß man Liebesgeschichten einfach nicht erzählen kann, man sollte sie leben. Und vor allem die eigene. Wie jene, die im Februar im Park begann und übrigens, soviel kann ich Ihnen dann doch noch verraten, alles andere ist als eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte.