Eine
Liebesgeschichte, die irgendwann, irgendwo, irgendwie einen Anfang genommen hat. Eine
solche Liebesgeschichte möchte ich erzählen, denn die Menschen brauchen in diesen rauhen
Zeiten was fürs Herz. Denken wir deshalb auch noch nicht an ein Ende, lassen wir sie
zuerst einmal beginnen.
Wir sollten den Anfang der Geschichte
allgemein halten. Legen wir uns also nicht auf eine Jahreszeit, einen Ort oder eine
Atmosphäre fest, es gäbe hier unzählige Möglichkeiten, ein passendes Ambiente für die
Geburt eines Gefühis, das man landläufig Liebe nennt, zu schaffen.
Man könnte z.B. den Monat Februar
wählen, der Frühling ist bereits zu erahnen, es schneit jedoch noch einmal, als die
beiden Hauptpersonen, die anonym bleiben sollten, sprechen wir also nur von ER und SIE, zu
einem kleinen Spaziergang in den Park aufbrechen. Noch trennt diese Menschen eine gewisse
Distanz, noch erträumt sich jeder von ihnen die Nähe, die Hand, den Mund des anderen.
Noch frieren ihre Hande in den Manteltaschen, nachdem sie aus Verlegenheit Schneebälle
geformt haben. Noch dürfen sie sich nicht gegenseitig wärmen, weil keiner von ihnen
ausgesprochen hat, was beiden bereits bewußt ist: der Beginn ihrer Liebe.
Wie gesagt, ein völlig willkürlich
gewähltes Beispiel für den Beginn einer ganz gewöhnlichen Liebesgeschichte ...
Ebensogut hätte ich diese kleine
Szene in den Sommer verlegen können, unter Umständen ans Meer oder in die Berge. Auch in
der Großstadt hätten sich wohl Möglichkeiten genug geboten. Wo Liebe entstehen will,
läßt sie sich von solcherlei Faktoren sicher nicht abhalten. Jeder Ort wird zum
romantischen Ort, jeder Ort färbt sich wenigstens an einer kleinen Stelle rosarot, wenn
er aus den Augen verliebter Menschen gesehen wird. Vor allem in der Erinnerung: Dann hat
der Mond auf einmal viel heller geschienen, der Schneefall ist dichter und weißer, die
Nachtluft klarer und kühler gewesen. Damals im Februar im Park .
Es schneit also sacht, und es ist
ziemlich kalt, zumal für die beiden Hauptpersonen, die sich wenige Minuten zuvor noch in
warmer Partyluft befunden haben oder nehmen Sie wahlweise die einer Diskothek, eines
Restaurants, Theaters ... aus der sie geflohen sein könnten, weit SIE aufgrund von SEINEN
Worten das Bedürfnis verspürt hat, dem aufsteigenden flauen Gefühl in ihrem Bauch mit
der kalten Nachtluft entgegenzuwirken. Möglicherweise versuchen sie auch, für den Beginn
ihrer Liebesgeschichte, die sich unaufhaltsam nähert, wie beide spüren müssen, eine
andere Umgebung zu schaffen als ausgerechnet diese Party, auf der sie außerdem gar nicht
eingeladen waren.
Im übrigen ist ein Spaziergang im
Park sowieso obligatorisch, da die Natur in Liebesgeschichten immer eine der Hauptrollen
spielt. Vom Regenschauer über strahlenden Sonnenschein bis hin zum leichten Schneefall
liefert sie zahlreiche Effekte, auf die in ganz gewöhnlichen Liebesgeschichten immer
gerne zurückgegriffen wird. Vergessen wir nämlich nicht, daß es sich auch bei unserer
Geschichte um eben eine solche handelt, die frei erfunden ist und völlig willkürlich
erzählt wird; lassen Sie sich da von Details nicht täuschen ...
Eigentlich möchte ich jetzt nicht
weiter auf den Verlauf des angesprochenen Abends bzw. der Nacht, die inzwischen über IHN
und SIE hereingebrochen ist, eingehen. Was sich diese beiden Menschen später sagen, was
sie fühlen, als sie sich endlich fühlen dürfen, das sollte in diesem Rahmen dann doch
nicht erzählt werden. Und es geht Sie auch gar nichts an. Es reicht, wenn ich Ihnen den
Anfang dieser Geschichte erzählt habe. Damit müssen Sie sich zufrieden geben. Und
überhaupt: Schreiben Sie doch Ihre eigene Liebesgeschichte! Oder noch besser: Leben Sie
sie! Denn es scheint wohl so zu sein, daß man Liebesgeschichten einfach nicht erzählen
kann, man sollte sie leben. Und vor allem die eigene. Wie jene, die im Februar im Park
begann und übrigens, soviel kann ich Ihnen dann doch noch verraten, alles andere ist als
eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte. |